Rene Lau Fachanwalt für Sportrecht
René Lau für die „Junge Welt“ • Dez. 17, 2021

Englische Verhältnisse

Rückkehr eines Kulturgutes: Stehplatztribüne des FC Watford.

Regelmäßige Leser meiner Kolumne wissen, dass ich von klein auf Fan des englischen Fußballs bin. Es hat mich in meiner Jugend begeistert, am Fernseher die unnachahmliche Stimmung in den Stadien des Mutterlandes des Fußballs aufzusaugen. Im Osten sozialisiert, war es für mich ein Muss, sie nach der »Wende« live zu erleben.

Aber schon damals war diese Stimmung getrübt. Denn die berühmten Stehplätze gab es nicht mehr. Nach der Hillsborough-Katastrophe 1989 wurden diese Sektoren der Stimmung bis 1994 nach und nach abgeschafft. Diese Entwicklung und die zunehmende Kommerzialisierung sind dafür verantwortlich, dass aus dem englischen Fußball wurde, was er heute ist: Nur noch gutbetuchte Fans können sich ein teures Sitzplatzticket leisten. Der gering verdienende Familienvater mit seinem Sohn, der Student oder der Arbeitslose bleiben ausgesperrt. Darunter leidet die Stimmung in Englands Fußballtempeln. Immer wieder wird hierzulande gewarnt: Wir wollen keine englischen Verhältnisse. Aus gutem Grund. Auch bei uns wäre es manchen geldgierigen Vereinsfunktionären, von Sicherheitswahn getriebenen Polizeigewerkschaftern oder Innenpolitikern lieber, Stehplätze ganz abzuschaffen.

Doch nun werden mit Beginn des neuen Jahres in verschiedenen englischen Stadien Stehplätze wieder zugelassen. Die Sitzreihen werden mit ausklappbaren Rail Seats bestückt, die man nicht nutzen muss. Das sind zwar noch keine »richtigen« Stehplätze, wie wir sie kennen, aber immerhin.

Das zeigt, wie wichtig es ist, die Fankultur im Ganzen zu erhalten. Sind einzelne Teile wie die Stehplätze erst einmal abgeschafft, dauert es Jahre oder Jahrzehnte, bis es wieder Veränderungen gibt. England ist für uns ein mahnendes Beispiel.

Meist ist weniger mehr. »Kein Zwanni für’n Steher« hieß mal eine Faninitiative. Darum: Erhaltet die Fankultur, sonst stirbt der Fußball.

»Sport frei!« vom Fananwalt.

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